Unsere Themen in diesem Artikel
- Was macht die Distanz mit unseren Kindern?
- "Mehr Leichtigkeit und Rituale", sagt Christina Tropper
- Körperlicher Stress und "Käseglockeneltern": Im Gespräch mit Dr. Annelies Loibl
Seit mehr als einem Jahr (Stand März 2021) spielt sich unser Alltag vor allem in den eigenen vier Wänden ab: zwischen Home-Schooling und Distance-Learning, Home-Office und digitalen Treffen mit Freunden. Eine große Herausforderung für Eltern und Kinder, die aber auch Chancen mit sich bringen können für ein bewussteres Leben, neue Rituale und einen entsprechenden Umgang mit sich selbst. Christina Tropper, Autorin, Bloggerin und Zwillingsmama führt uns mit ihren Top-3-Empfehlungen zu mehr Gelassenheit für Papa, Mama und Kinder. Dr. Annelies Loibl, Ärztin für Allgemeinmedizin mit Spezialgebiet Integrative Medizin, erklärt die Hintergründe und gibt 5 Tipps aus ihrem Praxisalltag für einen freien Kopf und mehr Brain-Power.
Was macht die Distanz mit unseren Kindern?
Im ersten Lockdown vor einem Jahr freuten sich manche Schüler noch über die verordnete Zwangspause von der Schule. Doch rasch wurde festgestellt, dass Schule zuhause mit Mama und Papa auch nicht lustiger ist, Hausaufgaben trotzdem anfallen und der tägliche Kampf um Laptop oder stabiles WLAN auf Dauer richtig blöd ist. Was auch relativ schnell klar war: Es fehlen Schulpausen, das Zusammentreffen mit dem Schwarm aus der Parallelklasse und die nachmittäglichen Stunden mit Freunden. Vorgegebene Routinen fallen weg und zwingen Kinder in die Selbstorganisation. In vielen Familien liegen mittlerweile die Nerven blank und Lustlosigkeit, Antriebslosigkeit und Frust machen sich breit. Was jetzt dringend notwendig ist, sind schnell umsetzbare Tipps für neue Motivation und ein besseres Miteinander.
"Mehr Leichtigkeit und Rituale", sagt Christina Tropper
Als Mutter von 7-jährigen Zwillingen war ihr Leben vermutlich auch vor der Pandemie alles andere als langweilig. Doch anstatt zu jammern, sprüht Christina Tropper vor Energie und nimmt die aktuelle Situation mit einer guten Portion Gelassenheit. „Wir dürfen ruhig ein bisschen gnädiger mit uns selbst sein“, so der Wirbelwind. „Denn wenn es uns gut geht, geht es auch den Kindern gut. Zu viel Strenge und Hysterie sind bestimmt nicht hilfreich und übertragen sich maximal auf die Kinder.“ Ihre Versuche, mit Kindern, Ehemann und Umfeld gelassener umzugehen, beschreibt sie auch in ihrem Blog „Einerschreitimmer“.
Im Gespräch verrät uns die Zwillingsmama ihre Top-3-Empfehlungen für einen entspannteren Umgang mit der aktuellen Situation.
1. Kinder lernen aktuell viel mehr als Schulwissen
Viele Lehrer versuchen auch jetzt, den Stoff durchzupeitschen und geben Vollgas. Die aktuelle Situation fordert alle und hier darf man seitens Lehrer und Eltern etwas Stress herausnehmen. Denn Kinder lernen gerade so viel mehr als Schulwissen, nämlich warum man Rücksicht nehmen muss, wie eine Gesellschaft funktioniert und wie wichtig soziale Kontakte sind. Vorausgesetzt, man nimmt sich Zeit für Erklärungen und Gespräche. Dabei geht es nicht darum, den Kindern zu sagen, wie arm sie mit Maske sind und dadurch Angst und Hysterie zu übertragen, für die Kinder ein Drama daraus zu machen. Vielmehr sollte erklärt werden, warum gewisse Regeln jetzt wichtig sind.
2. Meditation als neues Ritual im Familienalltag
Klingt auf den ersten Blick ungewöhnlich mit Volksschulkindern, doch Christina Tropper schwärmt von ihrem neuen Ritual der abendlichen Meditation, kindgerecht natürlich. Meditationsanleitungen (headspace auf Netflix, es gibt aber auch gute Apps) in Form von Zeichentrickserien führen Kinder mit schönen Bildern und Beschreibungen spielerisch in eine angenehme Entspannung. Davon profitiert die ganze Familie, denn die täglichen Meditationseinheiten wirken ausgleichend bei nervösen Verspannungen und unterstützen einen erholsamen Schlaf.
3. Zeitpläne, Routine und viel Gelassenheit im Alltag
Eine gewisse Routine ist auch daheim wichtig: Sei es der täglich geplante Arbeitsbeginn um acht Uhr morgens, Lernzeiten oder auch das gemeinsame Kochen und Meditieren abends. Nachmittags gibt’s für die Kinder WhatsApp Videocalls mit Freunden. Da tauscht man sich aus, zeigt neue Spiele her und albert herum. Es geht also darum, die sozialen Kontakte nicht abzubrechen, sondern neu zu denken. Durch gemeinsame Aktivitäten soll die Leichtigkeit und der Spaß im Alltag bewahrt werden: Bei Familie Tropper war es etwa ein Online Tanzkurs mit den Kindern, der richtig Spaß gemacht hat.
Es ist wichtig, dass es in der Familie allen Mitgliedern gut geht. Wenn es einer Person schlecht geht, geht es allen schlecht. Und so warnt Christina Tropper alle Eltern vor zu hohen Ansprüchen an sich selbst. „Wir sind im Moment Lehrer, Sporttrainer, Eltern, Arbeitskraft und noch vieles mehr. Da darf auch einmal etwas liegen bleiben und auf morgen verschoben werden.“, so die Zwillingsmama.
Tipp zum Weiterlesen
Blog-Artikel der Zwillingsmama passend zum Thema:
- Gebrauchsanleitung für Daheim: 66 Ideen für Kinder im Corona Lockdown
- DIY: Wochentage Uhr für Kinder selber basteln
Körperlicher Stress und "Käseglockeneltern": Im Gespräch mit Dr. Annelies Loibl
Subjektiv nehmen fast alle Kinder und Jugendlichen in der aktuellen Situation mehr Leistungsdruck wahr. Natürlich waren Lernstress und Anforderungen auch vor der Pandemie da. Doch jetzt sitzen die meisten Schüler im Home-Schooling viel länger vor dem PC und das verstärkt diese Wahrnehmung zusätzlich. Dazu kommt der fehlende Austausch mit Gleichgesinnten, also mit Freunden und Klassenkameraden und diese Komponente können Eltern nicht ersetzen. Durch die Kombination aus fehlenden Sozialkontakten und Mehrdruck entsteht ein zusätzlicher Stressfaktor, der im Körper verschiedene Symptome auslösen kann: Von Stimmungsschwankungen über Kopf- & Bauchschmerzen bis hin zu einem rebellierenden Darm und Schlafstörungen.
Frau Dr. Loibl warnt trotzdem vor „Käseglockeneltern“, also vor übervorsichtigen Eltern, die ihre Kinder ständig beschützen wollen. Besonders Jugendliche brauchen ein gewisses Ausprobieren und Experimentieren. „Das gehört zum Erwachsenwerden dazu“, so Dr. Loibl.
Die folgenden 5 Tipps gibt Dr. Annelies Loibl auch gerne in ihrer Praxis.
1. Unterstützung durch Mandarine, Lavendel und Zypresse
Bei Kopfschmerzen und zum „Kopf frei bekommen“ haben sich Aromaölmischungen bewährt. Frau Dr. Loibl empfiehlt eine Mischung aus je einem Tropfen Mandarine süß, Lavendel und Zypresse. Mandarine wirkt stimmungsaufhellend, Lavendel reinigend und die Zypresse unterstützt mit ihrer klärenden Wirkung und wirkt strukturgebend. Am besten abends in eine Aroma-Duftlampe (Diffusor) geben oder mit 1 EL Milch als Emulgator auch in ein Vollbad gießen.
2. Kopf-frei Übung abends
Diese Übung eignet sich gut zum Abschalten. Man setzt sich im Schneidersitz auf den Boden und lässt die Knie sanft nach außen fallen, die Fußsohlen berühren sich. Den Oberkörper rund und locker nach unten beugen und den Kopf gerne hängen lassen. Das hilft, Verspannungen im Nacken zu lösen.
3. Strecken & Dehnen tagsüber
Wenn man den ganzen Tag vor dem PC sitzt, sollte diese Übung stündlich eingebaut werden: Aufstehen, Fenster öffnen und ausgiebig dehnen und strecken. Wichtig ist das richtige „Aufmachen“: Arme hochnehmen, Schultern nach hinten und unten schieben. Ziel ist dabei nicht nur das Dehnen der Faszien, sondern auch mehr Bewusstsein für einen achtsamen Umgang mit dem eigenen Körper zu bekommen.
4. Wasser trinken gegen Verspannungskopfweh
Kein neuer Tipp, aber trotzdem gerät er viel zu oft in Vergessenheit: Genügend trinken! Vor allem Jugendliche neigen dazu, den Flüssigkeitsbedarf mit Energydrinks zu füllen. Eltern können da mit gutem Beispiel vorangehen und einen Krug Wasser zum PC oder Arbeitstisch stellen, gerne mit Kräutern oder auch einer Scheibe Zitrone, Orange oder Gurke ergänzen.
5. Brain-Food: Gemüse, Nüsse und Hülsenfrüchte
Wir wissen, dass man mit Kindern und Jugendlichen meist wenig erfolgreich über gesundes Essen diskutieren kann. Auch da ist die Vorbildwirkung der Eltern gefragt: Es wirkt unglaubwürdig, wenn man von den Kindern eine gesündere Ernährung fordert und sie selbst nicht lebt. Wichtig ist daher, gemeinsam gesunde Snacks in den Alltag einzubauen, vormittags etwa Karotten- oder Sellerie-Sticks und nachmittags eine Handvoll Nüsse oder Studentenfutter (B-Vitamine) zu knabbern. Kichererbsen im Salat machen satt und schmecken gut. Für eine ausreichende Versorgung mit Omega-3-Fettsäuren (wichtig für die Gehirnleistung!) sorgt beispielsweise ein Bio-Ei täglich. Selbst Schokolade darf als Nachspeise auf dem Speiseplan stehen, wenn es sich um dunkle Schokolade mit mind. 70 % Kakaogehalt handelt und nicht täglich eine ganze Tafel genascht wird. Die Schokolade hebt den Serotonin-Spiegel, das ist wichtig für gute Laune. Gerade beim Essen sollte es also weniger um Verbote gehen, sondern vielmehr um ein genussvolles Heranführen an eine ausgewogene Ernährung.
Wichtig: eigene Erfahrungen sammeln dürfen
Eigenverantwortung lernen und Unterstützung anbieten: Im Bereich der Ernährung kann eine Nährstoffanalyse beim Arzt oder in der Apotheke den Jugendlichen die Augen öffnen. Die stärksten Mängel treten bei Vitamin D, B-Vitaminen (vor allem Folsäure) und Omega-3-Fettsäuren auf und können sich in Form von Schlappheit, Unkonzentriertheit und schlechter Laune zeigen. „Viele Jugendliche haben einen Aha-Moment, wenn sie die eigene Analyse schwarz auf weiß sehen“, weiß Frau Dr. Loibl. Ihre Patienten bekommen aber keinesfalls Verbote, sondern Tipps, die sie ausprobieren können. Nur so lernt man, Verantwortung zu übernehmen.
Das Gleiche gilt für soziale Kontakte gerade während der Pandemie. Statt Verbote auszusprechen, sollten Eltern Alternativen vorschlagen. Gemeinsame Spaziergänge mit Freunden oder (wenn es wieder wärmer wird) ein Picknick mit der besten Freundin im Garten beispielsweise.