Hashimoto Thyreoiditis betrifft überwiegend Frauen
Dr. med. univ. Mag. iur. Michael LehnerFacharzt für Nuklearmedizin und Allgemeinmedizin
Interview: Mag. pharm. Andrea Spaeth
Hashimoto-Thyreoiditis ist eine der häufigsten Ursachen für eine Schilddrüsenunterfunktion, wird aber selten als solche erkannt. Das liegt auch daran, dass diese Art der Schilddrüsenentzündung sich schleichend entwickelt und die mit ihr einhergehenden Symptome und Beschwerden häufig nicht richtig eingeordnet, sondern anderen Ursachen zugeschrieben werden.
Der Körper gerät aus dem Gleichgewicht
Hashimoto Thyreoiditis gehört zur Gruppe der Autoimmunerkrankungen, bei der Frauen neunmal häufiger betroffen sind als Männer. Die über Jahre verlaufende schmerzlose Entzündung der Schilddrüse führt zur partiellen oder vollständigen Zerstörung des Schilddrüsengewebes und stellt die häufigste Ursache einer primären Schilddrüsenunterfunktion dar. Die Schilddrüse kann also wichtige Körperfunktionen nicht mehr richtig steuern.
Dr. Michael Lehner spricht im Interview über
- Ursachen,
- Symptome und
- neue Erkenntnisse
bei dieser Form der Schilddrüsenerkrankung.
>> Was genau passiert im Körper und welche Symptome treten auf?
Dr. Michael Lehner: Durch immunologische Verschiebungen kommt es zu Fehlfunktionen, die die antikörperbildenden Zellen gegen das Enzym Thyreoidale Peroxidase (TPO) sowie Thyreoglobulin ansteigen lassen. Dadurch werden wichtige Körperfunktionen, wie etwa Hormonhaushalt, Herz-Kreislaufsystem sowie seelisches Wohlbefinden gestört. In Abhängigkeit der Ausprägung kommt es früher oder später zu einer verringerten Produktion der Schilddrüsenhormone Thyroxin (T4) und Trijodthyronin (T3). In diesem Zusammenhang können beispielsweise Müdigkeit, Konzentrationsschwäche, Gewichtsprobleme oder Zyklusstörungen auftreten.
>> Wie oft stellen Sie die Diagnose Hashimoto und wie wird diese behandelt?
Dr. Michael Lehner: Hashimoto-Thyreoiditis zählt neben Schilddrüsenknoten zu den häufigsten Diagnosen in meiner Praxis. Überwiegend sind es junge Frauen. In Österreich wird etwa jede 5. Frau im Laufe ihres Lebens die Diagnose bekommen. Eine kausale Behandlung der Erkrankung ist derzeit noch nicht möglich. Bei bereits bestehender Unterfunktion wird die Schilddrüse hormonell unterstützt. Die Entzündung selbst kann mithilfe von antioxidativen Mikronährstoffen und Vitaminen behandelt und stabilisiert werden.
>> Muss man bei Diagnose Hashimoto- Thyreoiditis immer Tabletten einnehmen?
Dr. Michael Lehner: Solange die Schädigung der Schilddrüse noch nicht zu einer Unterfunktion geführt hat, ist keine Hormonersatztherapie erforderlich. Ausnahmen sind unerfüllter Kinderwunsch und Schwangerschaft, da herrscht ein erhöhter Hormonbedarf. Außerdem ist die Gabe von Schilddrüsenhormonen und deren Dosis altersabhängig. Als Faustregel gilt: je älter, umso weniger Hormone sind notwendig.
>> Welche Ursachen gibt es, die zu dieser Autoimmunerkrankung führen?
Dr. Michael Lehner: Die Ursachen der Hashimoto-Thyreoiditis sind nicht abschließend geklärt. Eine genetische Komponente ist jedenfalls sicher. Auch der Einfluss weiblicher Sexualhormone wird diskutiert. Auch Umweltfaktoren wie Stress, Mikronährstoffmangel oder der Jodgehalt in unseren Böden können eine Rolle spielen.
>> Sie haben Nährstoffmängel angesprochen – Welche Nährstoffe spielen hier eine große Rolle und wie relevant ist eine Untersuchung auf Mangelzustände?
Dr. Michael Lehner: Jod ist essentiell zur Produktion von Schilddrüsenhormonen. Es sollte in ausreichender Menge zur Verfügung gestellt werden, speziell in Jodmangelgebieten wie Österreich. Aber bei Hashimoto-Thyreoiditis sollte nicht übermäßig Jod substituiert werden, weil es möglicherweise auch einen krankheitsfördernden Einfluss nehmen kann. Mit 150 µg pro Tag sollte der Jodbedarf gedeckt sein. Als zweiten Mikronährstoff möchte ich Selen ansprechen. Die Schilddrüse ist das Organ mit dem höchsten Selengehalt pro Gramm und das hat seine Gründe. Viele Enzyme, die zur Hormonproduktion notwendig sind, sind selenabhängig. Daher sollte ein Selenmangel unbedingt ausgeglichen werden.
>> Wie beurteilen Sie die Gabe von Mikronährstoffen?
Dr. Michael Lehner: Ich sehe sie als unbedingt notwendig an – immerhin ist es derzeit die einzige Möglichkeit, diese Autoimmunkrankheit zu behandeln und das Wohlbefinden der Patienten zu verbessern.
>> Welche Möglichkeiten der Therapie gibt es, wenn sich noch keine Unterfunktion manifestiert hat?
Dr. Michael Lehner: Es gibt zahlreiche Studien, die einen positiven Effekt von Selen auf den Verlauf der Erkrankung beweisen. Die maximale Tagesdosis sollte 200 µg nicht übersteigen. Zink, Eisen, Kupfer sind ebenfalls entzündungshemmende Mikronährstoffe, die einen additiven Effekt haben. Nicht zu vergessen die Vitamine B, C, D und E. Aus der ayurvedischen Medizin hat sich die Schlafbeere als protektiv herausgestellt. Der bekannte Endokrinologe Prof. Dr. Gärtner aus München hat diese Zusammenhänge bereits in Studien analysiert. Neu ist aber der Einsatz von Tyrosin, einer semi-essentiellen Aminosäure, die als Grundbaustein dient sowie von Coenzym Q10. Ein angemessener Serumspiegel dieser Substanzen ist somit mitentscheidend für die Gesunderhaltung der Schilddrüse.
>> Gibt es diesbezüglich bereits Erfolge? Wenn ja, was können Sie uns davon berichten?
Dr. Michael Lehner: Wir haben in meiner Praxis eine Anwendungsbeobachtung über 12 Monate durchgeführt, die auch noch läuft. Sie zeigt einen positiven Effekt für den Einsatz der oben genannten Mikronährstoffe und Vitamine auf die Höhe der Schilddrüsenantikörper und - was mich besonders freut - auf das Wohlbefinden der Patienten. Geplant ist nun eine Studie, die die Wirkung von Selen und einer Mikronährstoffkombination vergleichen soll. 2021 sollten wir die Daten dann publizieren können.
>> Vielen Dank für das Gespräch.