In diesem Wissensartikel informieren wir über:
- Jede fünfte Person in Österreich leidet an einer Autoimmunerkrankung der Schilddrüse
- Das sagen die Experten zum Thema Schilddrüsengesundheit
- Experten-Tipps
- Interview mit Schilddrüsenexperte Dr. Wolfgang Köhler
Jede fünfte Person in Österreich leidet an einer Schilddrüsenerkrankung
Die Schilddrüse hat in den letzten beiden Jahrzehnten enorm an Bedeutung gewonnen. Mittlerweile leidet jede fünfte Person in Österreich an einer Schilddrüsenerkrankung, das Verhältnis Frauen zu Männern ist 8:1.
Die Schilddrüse ist eines unserer wichtigsten Organe im Körper und die Hormonschaltzentrale im Hals. Obwohl sie so klein ist, steuert sie so gut wie alle wichtigen Kreisläufe im Körper. Die Schilddrüsenhormone beeinflussen Herzaktivität, Kreislauf und regeln den Blutdruck. Fett- & Bindegewebestoffwechsel werden aktiviert, die Körperwärme geregelt, Nieren- & Darmtätigkeit beeinflusst und generell Wachstumsvorgänge und Energieverbrauch des gesamten Organismus gesteuert. Die Schilddrüse ist maßgeblich an einem gesunden Körper beteiligt und hat außerdem Einfluss auf die psychische Verfassung.
Weitere interessante Fakten zum Thema:
- Bei unspezifischen Symptomen sollte man jedenfalls an die Schilddrüse denken und diese untersuchen. Je früher man eine Erkrankung der Schilddrüse erkennt, desto besser kann man ganzheitlich behandeln.
- Vor allem bei Frauen sind Schilddrüsenkrankheiten vererbbar: Das hängt besonders mit dem weiblichen Hormonsystem zusammen.
- Hashimoto-Thyreoiditis kann Frauen vor allem in Zeiten von hormonellen Umstellungen treffen und somit schon bei jungen Frauen auftreten.
- Frauen sind symptomatischer als Männer. Wechselbeschwerden bei Frauen können denen einer Hashimoto-Thyreoiditis sehr ähnlich sein. Wenn der Check beim Gynäkologen OK ist, sollte frühzeitig an die Schilddrüse gedacht werden. Wenn man zu diesem Zeitpunkt die Krankheit erkennt und auch entsprechend mit einer Mikronährstoffkombination behandelt, kann möglicherweise ein Einsatz von Hormonen verzögert oder sogar verhindert werden.
- Mythos Jod: Die Schilddrüse braucht Jod zur Hormonproduktion und eine normale Jodaufnahme mit der Nahrung ist essenziell. Personen, die sich einseitig ernähren, wie etwa Veganer, sollten daher dringend Jod zuführen, ebenso Schwangere und Stillende.
- Bei bestimmten Schilddrüsenerkrankungen ist das Jod jedoch kontraproduktiv. Deshalb sollte eine Zufuhr von Jod durch Nahrungsergänzungsmittel jedenfalls immer mit dem behandelnden Arzt abgeklärt werden.
Zusammenhänge beachten
Stressbedingt kann sich das hormonelle Gleichgewicht zugunsten von Östrogen verschieben und ein Progesteronmangel entstehen. Verstärkte Blutungen verursachen einen Eisenmangel und auch andere wichtige Mineralstoffe werden verstärkt ausgeschieden. Defizite sind die Folge. Dazu kommt, dass man sich bei Dauerstress häufig ungesünder ernährt und damit wiederum eine Unterversorgung fördert. Und bei chronischem Stress entsteht ein Ungleichgewicht der Mikrobiota im Darm. Der Darm wird damit auch anfälliger für Viren und Bakterien, das gesamte Immunsystem kann aus dem Lot kommen. In Kombination kann es dadurch zu Antikörperbildungen gegen das eigene Schilddrüsengewebe kommen.
Die Ursachenforschung ist das Um und Auf
Bei einer Erkrankung der Schilddrüse gibt es nicht die eine Ursache, sondern ein Zusammenwirken mehrerer Ursachen. Diese gilt es aufzuspüren, um in der Behandlung entsprechend ganzheitlich anzusetzen. Folgendes Beispiel veranschaulicht die Komplexität.
Man hat einen stressigen Job, der aber Spaß macht. Automatisch isst man unter Stressbelastung aber schlechter, hastiger. Der Darm kann dadurch weniger Mikronährstoffe aufnehmen, irgendwann verschiebt sich die Darmflora, es entsteht ein durchlässiger Darm, eine stille Entzündung, ein weicher Stuhl. Im privaten Umfeld folgt ein Schockerlebnis (Trennung, psychischer Schmerz), man bekommt Herzrasen und Haarausfall. Eine Blutabnahme zeigt einen hohen Cortisolspiegel, Eisen- & B-Vitamine Mangel. Das Immunsystem streikt irgendwann und der Körper produziert Antikörper gegen die eigene Schilddrüse.
Es laufen Kettenreaktionen ab. Es ist daher wichtig, diese gesamte Kette zu finden und entsprechend einzuhaken. Und es braucht Zeit, Lösungen zu schaffen, denn Stressfaktoren lassen sich nicht von heute auf morgen auflösen..
Das sagen Experten zum Thema Schilddrüsengesundheit
Wir haben nachgefragt. Bekommt die Schilddrüse die Aufmerksamkeit, die ihr zusteht? Welche Tipps gibt es zur Vorsorge und was kann man aktiv tun?
Wir haben Schilddrüsen-Spezialisten in Österreich und Deutschland gefragt und diese sind sich einig: Die Schilddrüse wird nicht nur viel zu oft und viel zu lange ignoriert, sondern vor allem auch viel zu wenig in ganzheitliche Zusammenhänge gebracht.
Dr. Michael Lehner
Facharzt für Nuklearmedizin und AllgemeinmedizinWels - Österreich
Die Schilddrüse sollte bei unspezifischen Symptomen untersucht werden!
Die Schilddrüse ist durch ihre oberflächliche Lage am Hals sehr gut und völlig schmerzfrei zu untersuchen. In nur 20 Minuten kann ein kompletter Schilddrüsenstatus mit Ultraschall, Szintigrafie und Labor erstellt werden. Es lohnt sich daher allemal, unser wichtigstes Stoffwechselorgan im Körper bei Auftreten von bestimmten Symptomen untersuchen zu lassen: Müdigkeit, Leistungsminderung, Konzentrationsstörungen, Verdauungsstörungen, aber auch Unruhe, Zittrigkeit, erhöhter Puls oder Druckgefühl im Hals. Auch bei familiär gehäuft vorkommenden Schilddrüsenerkrankungen macht eine Routineuntersuchung Sinn.
Dr. Wolfgang Köhler
Nuklearmediziner und SchilddrüsenexperteLinz - Österreich
Die Schilddrüse ist stresssensibel. Besonders im letzten Jahr 2020 ist der Stresspegel bei vielen Menschen angestiegen. Home-Schooling, Home-Office und viele Unsicherheitsfaktoren haben natürlich maßgeblich dazu beigetragen. Diese andauernde Mehrbelastung wirkt sich in Summe auch auf die Schilddrüsenfunktion aus. Bei Schilddrüsenpatienten haben sich dadurch Verläufe teilweise verschlechtert. Bei vermeintlich gesunden Personen kann durch eine andauernde Belastung eine schlummernde Krankheit ausbrechen.
Prof. Dr. Elke Schwesig-Seebach
Ärztin für Integrative Medizin mit naturheilkundlicher Endokrinologie, Onkologie, Immunologie, Hyperthermie, WechseljahreMünchen - Deutschland
Die Schilddrüse bekommt zu wenig oder eine zu kurz gegriffene Aufmerksamkeit. In der Routine-Blutdiagnostik fehlt oft die Darstellung der Schilddrüsenhormone fT3 und fT4. Noch häufiger werden die Schilddrüsenantikörper nicht mitbestimmt. Somit bleibt eine Autoimmun-Thyreoiditis oftmals Jahrzehnte unerkannt.
Im Falle einer erforderlichen Behandlung bzw. Schilddrüseneinstellung sind sehr kleine Medikationsschritte wichtig: Eine erfolgreiche Aufdosierung der Medikation muss oftmals im 5µg-Bereich erfolgen. Ferner muss die Nebennierenfunktion „mithalten“ können. Sonst gelingt die Einstellung nicht. Je nach Verhältnis fT3 und fT4 (gewünscht 1:3) sollte noch T3 in die Medikation mit aufgenommen werden.
Frau Dr. med. Anneli Hainel
Fachärztin für Allgemeinmedizin mit Schwerpunkt Schilddrüse, orthomolekulare Medizin und bioidente HormontherapieMainz - Deutschland
Patienten mit betroffenen Angehörigen setzen sich eher präventiv mit dem Thema Schilddrüsengesundheit auseinander. In solchen Fällen ist eine frühzeitige Betrachtung sinnvoll, wenn beispielsweise Belastungen mütterlicherseits vorliegen. Denn da besteht die Möglichkeit, dass die Neigung zu einer Autoimmunität übertragen wird.
Aus meiner Sicht braucht es einen Blick über den Tellerrand und eine ganzheitliche Analyse: Ein erhöhter TSH Wert beispielsweise bedeutet nicht zwangsläufig eine zu behandelnde Schilddrüsenerkrankung, vor allem wenn es dem Patienten gut geht und er keine Symptome einer Unterfunktion hat. Allerdings sollte man bei allgemeinen Symptomen wie Müdigkeit oder Antriebslosigkeit auch mal die Schilddrüse kontrollieren und eventuell eine Mikronährstoffanalyse durchführen, bevor die Symptome als Burn-Out oder Depression gedeutet werden.
Wichtig bei Kinderwunsch: Schilddrüsen-, Jod- und Eisencheck
Bei Frauen mit Kinderwunsch wäre es sinnvoll, gleich zu Beginn - am besten noch vor einer Schwangerschaft - auch einen Schilddrüsen-Check durchführen zu lassen. Eine optimale Schilddrüsenfunktion ist nicht nur für die Entstehung und Erhaltung der Schwangerschaft, sondern auch für das Ungeborene extrem wichtig. Gynäkologen sollten vielmehr auch einen Blick auf die Schilddrüse haben, sich auch in der Diagnostik und Therapie mehr zutrauen. Dazu gehört auch ein Check des Jod- & Eisenstatus.
Wünschenswert: Mehr Prävention statt frühzeitiger Hormonverschreibung
Eine jährliche TSH-Wert Kontrolle allein ergibt nicht viel Sinn. Auch ist nicht jeder Patient mit nachgewiesenen Schilddrüsen-Antikörpern automatisch ein Hashimoto Patient. Es geht um eine ganzheitliche Vorsorge - besonders bei Patienten, die in der Familie Fälle von Schilddrüsenerkrankungen haben. Neben TSH-Check, Ultraschall bzw. Antikörper-Check sollten vor allem die für die Schilddrüse wichtigen Mikronährstoffe sowie der generelle Gesundheitszustand des Patienten untersucht werden. Damit sind auch stressbedingte Faktoren gemeint und bei Frauen der hormonelle Zyklus. Sofern eine Schilddrüsenhormongabe erforderlich ist, sollte man eher mit einer kleinen Dosierung anfangen und den Bedarf an sich ändernde Bedürfnisse wie beispielsweise Sommer/Winter sowie Zyklus, Medikamenteneinnahme usw. anpassen. Parallel dazu empfiehlt sich eine Unterstützung mit Mikronährstoffen wie Jod, Selen, Eisen und zum Beispiel auch Zink und Vitamin D. Die Schilddrüseneigenfunktion sollte - soweit möglich - erhalten bleiben und nicht durch zu viel Schilddrüsenhormon unterdrückt werden.
„Ich bin Hashimoto-Patient und ich darf kein Jod zu mir nehmen“: Viele Patienten haben keinen klassischen Hashimoto, sondern eine autoimmune Entzündung, die zu einer verkleinerten Schilddrüse führt. Die Schilddrüse kann nur arbeiten, wenn sie ausreichend mit Jod versorgt ist. Wenn Patienten Jod aber komplett meiden, führt der zunehmende Jodmangel durchaus eher zu verstärkten Entzündungsprozessen in der Schilddrüse, besonders wenn gleichzeitig auch ein Selenmangel vorliegt. Eine normale Jodversorgung in physiologischen Dosierungen von 150-250 µg Jodid täglich ist also auch bei vorhandenen Autoimmunprozessen in der Schilddrüse wichtig, besonders in einer Schwangerschaft!
„Die notwendige Schilddrüsenhormondosis bei einer Erkrankung wird nach Körpergewicht festgelegt“: Das betrifft nur Patienten, die gar keine Schilddrüse mehr haben, also die gesamte, täglich nötige Schilddrüsenhormondosis einnehmen müssen. Ansonsten ist bei der Hormondosis immer der individuelle Bedarf (hier zählen vor allem Befinden und Labortestung) - abhängig von der noch vorhandenen Eigenleistung der Schilddrüse - ausschlaggebend. Man tastet sich mit einer kleinen Hormondosis zur Entlastung der Schilddrüse heran und kombiniert die Therapie idealerweise mit einer Beigabe von entsprechenden Mikronährstoffen zur Unterstützung der Schilddrüseneigenfunktion. Es sollte nicht nur die Schilddrüse behandelt werden, denn das Schilddrüsenhormon wirkt auf den gesamten Körper. Eine Überdosierung an Schilddrüsenhormonen hat daher deutlich mehr negative Effekte, zum Beispiel auch auf Herz-Kreislauf sowie Knochen. Das sollte vermieden werden.
Dr. Annelies Loibl
Ärztin für Allgemeinmedizin mit Spezialgebiet Integrative MedizinThalheim bei Wels - Österreich
Die Schilddrüse ist ein wichtiges Hormonorgan und wird leider häufig stiefmütterlich behandelt bzw. oftmals auch nur einseitig betrachtet. Man muss sich die Schilddrüse als wichtiges Zahnrad im Regelwerk Organismus vorstellen. Wenn andere Zahnrädchen nicht gut arbeiten, kann es auch der Schilddrüse nicht gut gehen.
Dr. Marianne Krug
Ärztin für Allgemeinmedizin mit Spezialgebiet PräventivmedizinFrankfurt - Deutschland
Eine Autoimmunerkrankung ist häufiger eine Ursache für eine Schilddrüsenfehlfunktion, als man denkt. Bei der routinemäßigen Kontrolle der Schilddrüse wird das nicht immer mit untersucht. Besonders bei Frauen sollte in Verbindung mit dem Hormonstatus auch ein Schilddrüsen-Check veranlasst werden - insbesondere dann, wenn verschiedene Beschwerden genannt werden, die auf den ersten Blick unspezifisch scheinen. Die Zusammenhänge sind vor allem wesentlich, wie etwa die Darmgesundheit. Bei einer durchlässigen Darmschleimhaut, im Fachbegriff auch Leaky Gut Syndrom genannt, ist die Darmschleimhaut durchlässiger für Krankheitserreger, aber auch wichtige Nahrungsbestandteile. Das körpereigene Immunsystem wird stark beansprucht und auch Unverträglichkeiten können häufiger werden. Wichtig ist immer ein Blick auf das Gesamtbild, die Vorgeschichte zur Erkrankung bzw. den Beschwerden und dabei sollte auch die Schilddrüse mitbedacht werden.
Experten-Tipps
Hier finden Sie hilfreiche Tipps von unseren Schilddrüsenexperten:
Tipp 1: Mehr Bewusstsein im Alltag, daher Stressfaktoren auf verschiedenen Ebenen erkennen und bestmöglich reduzieren. Mikronährstoffe, allen voran Zink, Selen und Vitamine B, D, E und Coenzym Q10 können helfen, den Zellstress zu verringern. Damit wird die Schilddrüse bestmöglich unterstützt und eine gesunde Funktion angeregt. (Dr. Wolfgang Köhler)
Tipp 2: Schilddrüsengesundheit und ein gesunder Darm hängen eng zusammen. Darmstörungen wie eine Dysbalance des Mikrobioms bzw. ein „Leaky-Gut-Syndrom“ können beispielsweise die Ursache einer Autoimmunthyreoiditis sein. Die Behandlung der Schilddrüse sollte daher auch „im Darm“ beginnen. Weiter sollte bei Symptomen von unerklärlicher Müdigkeit, Gewichtszunahme sowie unerklärlichen Stimmungsschwankungen eine vollständige Laboruntersuchung aller Schilddrüsenwerte gemacht werden: TSH, fT4, ft3, TAK, TRAK, MAK. Extra-Tipp: Eisen und Progesteron fördern die Schilddrüsenfunktionalität. Oftmals kann eine Unterfunktion allein durch Ausgleich dieser zwei Parameter behandelt werden. (Prof. Dr. Elke Schwesig-Seebach)
Tipp 3: Die körpereigene Hormonproduktion sollte man bestmöglich unterstützen. Selen etwa ist als Cofaktor für antioxidative Enzymsysteme in der Schilddrüse zum Schutz der Schilddrüse vor Entzündungen wichtig und spielt eine essenzielle Rolle bei der Aktivierung der Schilddrüsenhormone in den Zellen. Auch Jod und Eisen sind wichtig für eine gesunde Schilddrüse: Jod als Bestandteil der Schilddrüsenhormone, Eisen als Cofaktor des Hauptenzyms der Schilddrüsenhormonproduktion. Gerade Menschen mit vegetarischer oder veganer Ernährungsform weisen da oft massive Mängel auf. Ärzte sollten also immer auch die Ernährung abfragen. (Dr.med. Anneli Hainel)
Tipp 4: Bei einem Gesundheitscheck sollte auf eine ganzheitliche Sichtweise geachtet werden: Die Schilddrüse wird nicht „einfach so“ krank. Es laufen im Hintergrund sehr viele zusammenhängende Reaktionen ab, diese gilt es anzusehen. Ein Arzt mit Zusatzausbildungen in der Mikronährstoffanalyse beispielsweise wird diesen wichtigen Bereich jedenfalls mit einbeziehen und hier auch entsprechende Vollblutanalysen (v.a. Zink, Selen, Eisen, B-Vitamine usw.) durchführen.
Außerdem spielen auch Stressbelastungen und der weibliche Zyklus eine Rolle in der Schilddrüsendiagnostik. Frauen neigen aufgrund der hormonellen Schwankungen (monatlicher Zyklus, Pubertät, Wechseljahre) eher zu Schilddrüsenproblematiken bzw. Schilddrüsenautoimmunerkrankungen. Wenn dann noch anhaltende Stressbelastungen dazu kommen, kann dies eine Reaktion der Schilddrüse zur Folge haben. Deshalb ist eine ganzheitliche Betrachtung so wichtig: Wie sieht die chronische Stressbelastung aus, gibt es im Körper stille Entzündungen, die keine Symptome zeigen? Wie verläuft der Zyklus und wie sieht die Versorgung im Körper mit Mikronährstoffen aus? Die Schilddrüse braucht als Bausteine Zink, Eisen, Selen und Jod. (Dr. Annelies Loibl)
Tipp 5: Was kann man selbst tun bzw. bei welchen Symptomen sollte man jedenfalls auch an die Schilddrüse denken? Eine bewusste, mediterrane Ernährung mit vielen Vitalstoffen wird generell von vielen Experten empfohlen. Das ist nicht nur für eine gesunde Schilddrüse, sondern auch für einen gesunden Darm und damit ein funktionierendes Immunsystem wichtig. Bei bestimmten Symptomen kann es lohnend sein, auch an die Schilddrüse zu denken. Bei Müdigkeit und Abgeschlagenheit etwa. Vor allem, wenn die Müdigkeit morgens auftritt und bei Bewegung besser wird. Auch teigige Schwellungen im Gesicht oder Körper und eine Trockenheit von Haut und Haaren können Anzeichen sein. Die Schilddrüse ist außerdem ein zentrales Organ für unsere körpereigene Heizung. Wenn man also ständig friert und eine laufende Untertemperatur aufweist, lohnt auch einen Untersuchung der Schilddrüse. Es geht dabei weniger darum, bei sämtlichen allgemeinen Beschwerden sofort die Schilddrüse als Problem zu identifizieren, sondern vielmehr darum, rechtzeitig einen Check zu veranlassen und die Schilddrüse im Zuge eines ganzheitlichen Ansatzes mitzudenken. Denn sie ist eines unserer wichtigsten Organe. (Dr. Marianne Krug)
Tipp 6: Eisenwerte checken! Wichtig ist dabei vor allem der Ferritin-Wert, denn der gibt Auskunft über das Speichereisen. Ein Wert von unter 50 ng (Nanogramm pro Milliliter Blut) zeigt einen Eisenmangel auf, auch wenn die Referenzbereiche der Labors bedeutend niedriger liegen.
Außerdem sollte auf jodhaltiges Essen geachtet werden. Da wir uns häufig salzarm ernähren und manche Gebiete in Österreich nach wie vor als Jodmangelgebiete gelten, macht es Sinn, darauf zu achten. Man kann beispielsweise Biomeeresalgen als Würzmittel einsetzen, wenn man Salz eher meiden möchte. Selen ist ebenfalls ein wichtiger Baustein für die Schilddrüse. Dabei darf man allerdings aufpassen, dass man nicht überdosiert, da Selen eine geringe therapeutische Breite hat. Eine kurzfristige Supplementierung mit 100 bis 200 μg (Mikrogramm) ist bei einem Selenmangel okay, danach sollte die Menge aber reduziert werden. Außerdem nehmen manche Menschen Mikronährstoffe sehr gut auf (das gilt nicht nur für Eisen), andere weniger. Eine Supplementierung sollte daher immer individuell und unter Kontrolle erfolgen.
Interview mit Dr. Wolfgang Köhler:
Wir haben nachgefragt: Das sagt der Experte zum Thema Schilddrüsengesundheit:
Jede fünfte Person leidet in Österreich an einer Schilddrüsenerkrankung – würden Sie sagen, dass Schilddrüsenerkrankungen am Vormarsch sind? Welche Erkrankungen treten denn hier am häufigsten auf?
Dr. med. Wolfgang Köhler: Ich würde das vielleicht sogar ändern. Es haben viel mehr als nur jeder Fünfte eine Schilddrüsenerkrankung. Knoten alleine hat jeder Dritte, dann kommen noch die Hashimoto ohne Knoten dazu. Also wahrscheinlich ist es so, dass jeder Zweite irgendein Schilddrüsenproblem hat. Auf dem Vormarsch sind Schilddrüsenerkrankungen meiner Ansicht nach jedoch nicht. Vielmehr glaube ich, dass Schilddrüsenerkrankungen viel früher diagnostiziert werden als in der Vergangenheit, was sicher an der heute breiter verwendeten Labordiagnostik liegt. Deshalb werden viele Erkrankungen auch deutlich früher erkannt. Man hat hier dann die Möglichkeit viel früher therapeutisch anzusetzen. Dominierend sind auf jeden Fall Hashimoto Thyreoiditis und Knoten Struma. Das sind die zwei häufigsten Erkrankungen.
Die Ergebnisse unserer Studie zeigen einen klaren Vorteil der Mikronährstoffkombination gegenüber Selen – was sagen Sie zu diesem Resultat?
Dr. med. Wolfgang Köhler: Das Studienergebnis ist für mich jetzt keine Überraschung in dem Sinne, weil ich schon sehr lange mit Mikronährstoffkombinationen arbeite und einfach auch zu demselben Ergebnis in meiner Praxis gekommen bin. Mikronährstoffe, allen voran Zink, Selen und Vitamin B, D, E und Coenzym Q10 können helfen, den Zellstress zu verringern. Damit wird die Schilddrüse bestmöglich unterstützt und eine gesunde Funktion angeregt.
Gibt es Ihrerseits besondere Empfehlungen, welche Mikronährstoffe wo eingesetzt werden sollten?
Dr. med. Wolfgang Köhler: Die bereits genannten Mikronährstoffe setze ich gerne bevorzugt in Kombinationen ein, vor allem bei Hashimoto Thyreoiditis ohne Knoten. Für jene Hashimoto Patienten mit Knoten an der Schilddrüse empfehle ich jedoch antioxidative Mikronährstoffe gemeinsam mit Jod. Man weiß aus der Vergangenheit, also aus Studien, dass eine Jodprophylaxe das Knotenwachstum hemmt bzw. reduziert. Aber auch die Antikörper werden bei Hashimoto, wenn man bestimmte Mikronährstoffe über einen längeren Zeitraum einnimmt, weniger - in einigen Fällen sogar nicht mehr nachweisbar.
Wie wichtig ist Ihnen die Prävention allgemein?
Dr. med. Wolfgang Köhler: Prävention ist in der Medizin allgemein ganz wichtig, mit Bezug insbesondere auf die Schilddrüse – Beispiel Strumaprophylaxe - vor vielen Jahrzehnten hat man begonnen das Salz zu jodieren, genau aus diesem Grund, ist aber in Summe etwas zu wenig. Deshalb braucht es gut abgestimmte Mikronährstoffkombinationen. Dazu zählt aber auch, dass man mehr Bewusstsein im Alltag schafft, sprich Stressfaktoren auf verschiedenen Ebenen erkennt und bestmöglich reduziert.
Ist es zu weit gegriffen, wenn man sagt, dass der Einsatz von Schilddrüsenhormonen möglicherweise verzögert werden könnte?
Dr. med. Wolfgang Köhler: Den Einsatz von Schilddrüsenhormonen kann man auf jeden Fall durch den Einsatz von bestimmten Mikronährstoffen und Vitaminen verzögern, dies ist auch meine Beobachtung.
Mythos Jod? – Wie lautet Ihre Empfehlung bzw. wann sollte man Jod meiden?
Dr. med. Wolfgang Köhler: Zum Jod - ja das ist immer ein sehr heikles Thema. Jod ist ein ganz wichtiges Spurenelement, das jeder braucht. Der Mythos, dass eine Hashimoto-Thyreoiditis-Schilddrüse auf jeden Fall Jod vermeiden sollte, ist eigentlich falsch. Auch Hashimoto Patienten brauchen Jod, nur es sollte halt nicht übertrieben sein. Also so ca. 100 -150 µg am Tag würden passen. Bei jeglichen Arten der Überfunktion, dazu gehören Morbus Basedow und Schilddrüsenautonomien, sollte Jod jedoch gemieden werden.
Wir bedanken uns sehr herzlich für das ausführliche Interview!